Was verstehen Fachleute unter einer Autismus-Spektrum-Störung?

Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die als Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert wird. Diese tritt in der Regel vor dem dritten Lebensjahr auf und zeigt sich in drei Bereichen:

  • Problemen im sozialen Umgang (z. B. beim Verständnis und Aufbau von Beziehungen)
  • Auffälligkeiten bei der Kommunikation (sprachliche und nicht-sprachliche Verständigung)
  • eingeschränkte Interessen mit stereotypen, sich wiederholenden Verhaltensweisen

Früher wurde oft zwischen verschiedenen Autismusformen unterschieden (z. B. frühkindlicher, atypischer Autismus und Asperger-Syndrom). Das DSM-5 und das ICD-11 (erschienen 2018) hingegen enthalten keine Subtypen mehr und sprechen nur noch von einer allgemeinen Autismus-Spektrum-Störung (ASS).

  • DSM = ein Klassifikationssystem für psychische Störungen. Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen.

  • DSM-5 ist die Abkürzung für die fünfte Auflage des Leitfadens psychischer Störungen.
  • ICD ist die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme.

  • ICD-10: die 10. Auflage

  • ICD-11: soll 2022 erscheinen


(Quelle: Wikipedia)

Pflegeantrag bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung

Autisten wirken oft provokant für ihre Mitmenschen. Es handelt sich jedoch in der Regel nicht um eine soziale Provokation, sondern um ein kognitives Defizit in der Empathie, d.h. es fehlt das Verständnis für sozial inakzeptables Verhalten. Dem kann man begegnen, indem man immer explizit sagt, was zu tun oder zu lassen ist. Diese Regel wird dann befolgt, ohne dass sie „verstanden“ wird.

Viele autistische Kinder verstehen z. B. die Lautstärke von Stimmen und deren Bedeutung nicht (schimpfen, Lärmpegel im Raum etc.). Daher orientieren sie sich oft an anderen Kindern, was gerade in der Schule häufig als „abschauen“ interpretiert wird.

(Quelle: Prof. Dr. M. Noterdaeme)

Durch oben genannten Probleme im sozialen Umgang (z. B. beim Verständnis und Aufbau von Beziehungen), den Auffälligkeiten bei der Kommunikation (sprachliche und nicht-sprachliche Verständigung) und den eingeschränkten Interessen mit stereotypen, sich wiederholenden Verhaltensweisen ist von den Eltern ein anderer Umfang an Hilfen, auch im Bereich der Pflege, der Alltagsgestaltung und der Begleitung zu Therapien erforderlich, als bei einem gleichaltrigen, gesunden Kind.

Bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist ein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegeantrag) immer sinnvoll.

Bewertung des Hilfebedarfs bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung

Auch hier sind nur die nachfolgend genannten sechs Module zur Einstufung in einen Pflegegrad ausschlaggebend:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung (nicht Einkaufen und Putzen)
  5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (ehemalig Behandlungspflege)
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Pflegegrad bei Diagnose Autismus-Spektrum-Störung

Zum Zwecke einer gesicherten Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung ist es zur Ermittlung der gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sehr wichtig, nicht nur das Kind zu befragen, sondern die gesamten Lebensumstände durch die Angehörigen/Pflegeeltern beschreiben zu lassen.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber folgende Richtlinien beim Verfahren der Feststellung von Pflegebedürftigkeit vorgegeben. Siehe neues Begutachtungs-assessment (NBA) unter:

4.5.2 Pflegerelevante Vorgeschichte (Anamnese), medizinische und pflegerische Angaben unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Selbstständigkeit
oder die Fähigkeiten

  • Die persönliche Einschätzung der Betroffenen zu ihren derzeitigen gesundheitlichen und pflegerischen Problemen, Bedürfnissen und Veränderungswünschen ist zu erfassen.
  • Es ist nach den pflegerelevanten Erkrankungen und Beschwerden zu fragen.
  • Auch Tagesformschwankungen oder besondere Belastungen für die Pflegenden sind aufzunehmen.
  • Anamnestische Angaben zu kognitiven Fähigkeiten oder herausforderndem Verhalten sind im Hinblick auf die Bewertung der Module 2 und 3 zu erfragen und hier aufzunehmen.
  • Besonders bei Erkrankungen mit wechselnder Symptomatik erleichtert dieses Vorgehen die nachfolgende gutachterliche Beurteilung der Selbst-ständigkeit.

Nach der Dokumentation der pflegerelevanten Vorgeschichte folgt die Feststellung der gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten. Auch hier sind bei der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung die anamnestischen Angaben der Angehörigen/Pflegepersonen von besonderer Bedeutung und müssen sorgfältig erhoben werden. Siehe Neues Begutachtungsassessment (NBA) unter:

4.8.2 Feststellung der gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

Nach der strukturierten Anamnese- und Befunderhebung erfolgt die An-wendung der sechs Module des Begutachtungsinstruments. Dabei muss die Gutachterin oder der Gutachter sowohl die eigenen Befunde als auch anamnestische Angaben von Betroffenen, Pflegepersonen, Pflegekräften oder anderen Stellen (z. B. behandelnden Ärzten) bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigen.

Kinder mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung erfüllen fast immer die Kriterien zur Eingruppierung in einen Pflegegrad.

Besonders in den Modulen 2 „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und 3 „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ ist mit einer Beeinträchtigung der Fähigkeiten zu rechnen (siehe: kognitives Defizit in der Empathie, d. h. es fehlt das Verständnis für sozial inakzeptables Verhalten).

Im Modul 2 müssen folgende kognitive Fähigkeiten müssen im Modul 2 geprüft werden:

Der Gutachter (m/w) muss ermitteln, ob die Fähigkeit bei der Person

  • vorhanden/ unbeeinträchtigt ist
  • größtenteils vorhanden ist
  • in geringem Maße vorhanden ist
  • nicht vorhanden ist

Die Auswertung erfolgt mit sogenannt Einzelpunkten. Anhand der Anzahl der ermittelten Einzelpunkte, ist aus einem Umrechnungsschlüssel die Anzahl der gewichteten Punkte abzulesen. Die gewichteten Punkte werden aus jedem Modul addiert und ergeben den Pflegegrad.

Im Modul 3 muss ermittelt werden, bei welchen der nachfolgenden Verhaltens-weisen und psychischen Problemlagen eine personellen Unterstützung erforderlich ist.

Der Gutachter (m/w) muss ermitteln, wie häufig eine personelle Unterstützung erforderlich ist.

  • nie oder sehr selten
  • selten (ein- bis dreimal innerhalb von zwei Wochen)
  • häufig (zweimal bis mehrmals wöchentlich aber nicht täglich)
  • täglich

Im Modul 4 „Selbstversorgung“ finden sich, je nach Ausprägung Anforderungen an die Angehörigen. Der Gutachter (m/w) muss ermitteln, welche Beeinträchtigungen einen Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen notwendig machen. Hierbei ist es unerheblich ob die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit aufgrund von Schädigungen somatischer (körperlicher) oder mentaler (geistiger) Funktionen bestehen.

Für folgende Verrichtungen muss der Grad der Selbstständigkeit vom Gutachter (m/w) ermittelt werden:

Der Gutachter (m/w) muss den Grad der Selbstständigkeit ermitteln:

  • selbstständig
  • überwiegend selbstständig
  • überwiegend unselbstständig
  • unselbstständig

Die Art und der Umfang des Hilfebedarfs ist sehr unterschiedlich. Gerade bei Kindern mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung kann es sein, dass das Kind häufig motiviert und angeleitet werden muss, um z. B. mit der selbständigen Körperpflege zu beginnen.

Es kann genauso erforderlich sein, über die Motivierung und Anleitungen hinaus Teilübernahmen bis hin zur kompletten Übernahme einer Verrichtung durchzuführen, z. B. bei Verweigerungshaltung des Kindes bei der Selbstversorgung.

Im Modul 5 finden die sogenannten Behandlungspflegen/Therapien/Arztbesuche Berücksichtigung.

Der Gutachter (m/w) muss ermitteln, welche Maßnahme

  • selbstständig durchgeführt werden kann
  • entfällt
  • Hilfe erfordert

Bei der Häufigkeit wird hier unterschieden:

  • pro Tag
  • pro Woche
  • pro Monat

Im Modul 6 ist zu ermitteln, ob die Gestaltung des Alltagslebens und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte“ einen Hilfebedarf erfordert.

Bereits aus der pflegebegründende Diagnose „Autismus-Spektrum-Störung“ leitet sich ein Hilfebedarf ab. Folgen Probleme stellen sich in diesem Zusammenhang:

  • Problemen im sozialen Umgang (z. B. beim Verständnis und Aufbau von Beziehungen)
  • Auffälligkeiten bei der Kommunikation (sprachliche und nicht-sprachliche Verständigung)
  • eingeschränkte Interessen mit stereotypen, sich wiederholenden Verhaltensweisen

Folgende Bereiche des Alltagslebens gilt es in Bezug auf den Grad der Selbstständigkeit zu überprüfen:

Der Gutachter (m/w) hat zu ermitteln, ob das Kind:

  • selbstständig
  • überwiegend selbstständig
  • überwiegend unselbstständig
  • unselbstständig ist

Nach Ermittlung der Einzelpunkte und dem Umrechnen in gewichtete Punkte ist die Ermittlung des Pflegegrades abgeschlossen.

  • Pflegegrad 1 ist ab 12,5 gewichteten Punkten anzuerkennen

  • Pflegegrad 2 von 27 – unter 47,5 gewichteten Punkten

  • Pflegegrad 3 von 47,5 bis unter 70 gewichteten Punkten

  • Pflegegrad 4 von 70 bis unter 90 gewichteten Punkten

  • Pflegegrad 5 ab 90 gewichteten Punkten oder dem Vorliegen einer besonderen Bedarfskonstellation

Voraussetzungen an die Gutachter (m/w) bei Prüfung der Pflegebedürftigkeit bei Kindern (siehe neues Pflegestärkungsgesetz):

bei Kindern ist die Prüfung der Pflegebedürftigkeit in der Regel durch beson-ders geschulte Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes oder andere unabhängige Gutachterinnen und Gutachter mit einer Qualifikation als Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder als Kinderarzt vorzunehmen.

Fragen Sie den Gutachter (m/w) nach seiner Qualifikation!

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Welcher Pflegegrad bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung?

Sind Sie mit der Eingruppierung nicht einverstanden oder sind Sie unsicher, ob der festgestellte Pflegegrad dem Bedarf an fremder Hilfe entspricht, lassen Sie das Gutachten des MDK oder Medicproof von unabhängigen Sachverständigen prüfen.

Zweifeln Sie das Gutachten an und geben Sie sich nicht mit dem Ergebnis zufrieden!

Die Einschätzung der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten und die entsprechende Bewertung unter Bezug auf das neue Begutachtungsassessment (NBA) unterliegt genauen Definitionen.

Wir empfehlen Ihnen eine professionelle, pflegefachliche Einschätzung und Bewertung. Nur mit Fachwissen hat Ihr Widerspruch eine Aussicht auf Erfolg.

Widerspruch lohnt sich zu mindestens 70 Prozent!

Welchen Pflegegrad bekommen Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung erfahrungsgemäß?

Die Eltern oder Pflegeeltern von Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung wenden sich aus dem gesamten Bundesgebiet an die, besonders auf diesem Gebiet, erfahrenen Experten des BWPN. Die unabhängigen Pflegesachverständigen (w/m) stehen seit Jahren den Betroffenen, teilweise über mehrere Instanzen, pflegefachlich mit Sachverstand und Erfahrung zur Seite und konnten auf diese Weise schon sehr vielen Familien zu gerechten Leistungen verhelfen.

Aber welchen Pflegegrad erhalten denn nun andere Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung?

Wir können erneut nur unsere eigene Erfahrung veröffentlichen. Auch wenn es deutlich mehr Menschen mit einer solchen Störung gibt als wir bisher betreut haben, so haben unsere Erkenntnisse aufgrund der vielen erfolgreichen Fälle der letzten Jahre doch irgendwie auch einen repräsntativen Charakter.

Nachfolgend veröffentlichen wir dazu die tatsächlichen (gerundeten) Zahlen.

30 %

Pflegegrad 1

40 %

Pflegegrad 2

15 %

Pflegegrad 3

15 %

Pflegegrad 4

Die Quelle der oben genannten Quoten ist unsere interne Auswertung. Welcher Pflegegrad bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung tatsächlich notwendig ist hängt, wie oben dargestellt, immer vom individuellen Einzelfall ab.

Den Pflegegrad 5 haben wir unerwähnt gelassen, weil Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung zwar leider immer wieder mal den Pflegegrad 5 erhalten (müssen), es allerdings nur in sehr wenigen Fällen, notwendig ist.

Buchempfehlungen

Bei den nachfolgenden Empfehlungen handelt es sich, fachlich, um aufrichtige Empfehlungen, die Ihnen beim Thema des Beitrags weiterhelfen können. Dennoch möchten wir darauf hinweisen das kein Beitrag im Internet und kein Buch eines komplexen Themas aus einem Laien einen Experten macht. Lesen Sie sich daher bei Interesse gern in ein Thema ein, es kann sicher nicht schaden. Aber riskieren Sie bitte keine Ansprüche durch Halbwissen und nutzen Sie bei Bedarf unbedingt die fachliche Expertise unahängiger Pflegeexperten.

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Bild 1: (c) Bundesweites Pflegenetzwerk (BWPN)